Tätigskeitsbericht 2020
Schlichtungsspruch 5
Kreditgeschäft - Konsumentengeschäft
Der Schlichtungsantrag ist unbegründet.
Der Antragsteller hat bei der Antragsgegnerin (nachfolgend: Bank) am 02.12.2019 ein Darlehen zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges aufgenommen. Mit – nicht vorgelegtem – Schreiben vom 21.04.2020 hat er den Vertrag widerrufen. Im Schlichtungsantrag macht er die Unwirksamkeit der Widerrufsinformation mit dem Hinweis auf den „Kaskadenverweis“ geltend. Die Bank tritt der Ansicht zur Fehlerhaftigkeit der Belehrung entgegen.
Dem Antragsteller stand gemäß § 495 Abs. 1 BGB in der ab 21.03.2016 geltenden Fassung i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zu. Dazu habe ich zunächst festzustellen, dass die Bank das Muster gemäß Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB unter Berücksichtigung der einschlägigen Gestaltungshinweise wortgetreu verwendet hat. Damit ist den Anforderungen von Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB entsprochen und die Belehrung wäre auf der Grundlage des deutschen Rechts ordnungsgemäß.
Der Antragsteller erklärt seinen Widerruf mit dem Hinweis auf den sog. „Kaskadenverweis“. Auch vor dem Hintergrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH vom 26.03.2020, C-66 / 19 – WM 2020, 688 ff.) kann ich nicht zu Gunsten des Antragstellers in der Sache entscheiden. Der EuGH hat entschieden, dass sich der – von der Bank auch verwendeten – Muster-Widerrufsinformation der Beginn der Widerrufsfrist nicht korrekt entnehmen lasse, weil die für den Fristbeginn erforderlichen Pflichtangaben im Text nicht explizit genannt sind, sondern der Verbraucher sie anhand verschiedener Gesetze erst heraussuchen müsse. Der Bundesgerichtshof hat bereits im Beschluss vom 19.03.2019 (XI ZR 44 / 18 – WM 2019, 864 ff.) und im Beschluss vom 02.04.2019 (XI ZR 488 / 17 – juris RdNr. 17) – und zwar jeweils in Kenntnis des Vorlagebeschlusses des LG Saarbrücken vom 17.01.2019 (1 O 164 / 18 – juris) – sowie in mehreren früheren Entscheidungen den im Muster enthaltenen Verweis auf „alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB“ gebilligt (vgl. Urteil vom 03.07.2018, XI ZR 702 / 16 – WM 2018, 1601 ff. / 1602 f. RdNr. 12 ff.; Urteil vom 04.07.2017, XI ZR 741 / 16 – WM 2017, 1602 ff. / 1603 RdNr. 21; grundlegend Urteil vom 22.11.2016, XI ZR 434 / 15 – WM 2017, 427 ff. / 428 f., RdNr. 16 ff.; vgl. auch OLG Stuttgart Beschluss vom 04.02.2019, 6 U 88 / 18 – juris RdNr. 11 f.). Der EuGH hat durch das genannte Urteil entschieden (soweit hier relevant), „Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008 / 48 ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der im Art. dieser Richtlinie genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedsstaates verweist“. So ist aber der deutsche Gesetzgeber verfahren.
Zu den Rechtsfolgen äußert sich der EuGH nicht. Welche Rechtsprechung nunmehr maßgebend sein soll, ist auf nationaler deutscher Ebene höchstrichterlich entschieden. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 31.03.2020 (XI ZR 198 / 19 – WM 2020, 838 ff.) unter expliziter Inbezugnahme des Urteils des EuGH ausgeführt, dass er sich, um den Vorgaben des EuGH entsprechen zu können, „gegen die ausdrückliche Anordnung des (sc. deutschen) Gesetzgebers in Art. 247 § 6 Abs. Satz 3 EGBGB a.F. stellen“ und dann das Muster als nicht ausreichend ansehen müsste. Eine richtlinienkonforme Auslegung scheidet danach nach Ansicht des BGH aus, weil der „klar erkennbare Wille des Gesetzgebers nicht übergangen oder verfälscht werden“ darf. Eine Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Gesetzgebers dienen. Vor diesem Hintergrund hat der Antrag in der Sache keinen Erfolg. Die Bank hat nämlich – wie eingangs festgestellt – das Muster gemäß Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB wortgetreu verwendet, so dass den Anforderungen von Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB entsprochen und die Belehrung ordnungsgemäß ist.