Tätigkeitsbericht 2019
Schlichtungsspruch 6
Wertpapiergeschäft
Entscheidung:
Die Durchführung des Schlichtungsverfahrens wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat nach Beratung durch die Antragsgegnerin (nachfolgend: Bank) am 23.9.2009 eine Beteiligung an dem Fonds XY in Höhe von 10.000 € zuzüglich 5 % Agio gezeichnet. Er macht geltend, falsch beraten worden zu sein, und verlangt im Wege des Schadensersatzes Rückabwicklung. Die Bank lehnt die Forderung ab.
Ich vermag dem Antragsteller nicht zu helfen, da ich im Ergebnis wegen der sich widersprechenden Darstellungen der Parteien zur Beratung durch die Bank und wegen unterschiedlicher Ansichten zu Prospektfehlern nicht von einer zum Schadensersatz verpflichtenden Vertragsverletzung der Bank ausgehen kann. Der Sachverhalt bedarf meines Erachtens vor einer Entscheidung in der Sache der Aufklärung durch eine Beweisaufnahme. Diese ist im Ombudsmannverfahren nur im Wege des Urkundenbeweises möglich. Vorliegend lässt sich der Beweis auf diesem Wege nicht führen. Es haben vielmehr eine Zeugen- und Parteivernehmung stattzufinden. Auch steht ein Sachverständigengutachten im Raum. Diese sind nicht zulässig, vielmehr habe ich eine Schlichtung abzulehnen (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) Verfahrensordnung). Falls nicht ohnehin eine Parteivernehmung erfolgt, halte ich auch auf jeden Fall eine persönliche Anhörung des Antragstellers für unentbehrlich.
Ich halte den Vortrag des Antragstellers teilweise für schlüssig. Er trägt vor, er sei ein auf Sicherheit bedachter, eher vorsichtiger Anleger mit dem Anlageziel der Altersvorsorge. Er habe den Prospekt erst nach dem Beitritt erhalten. Der Berater habe den Fonds als gute Anlage mit hohen Steuerersparnissen und hohen Ausschüttungen empfohlen, die sein Anlageziel erfülle und nur Vorteile bringe, und den Eindruck einer sicheren und gewinnbringenden Anlage erweckt, die vollkommen risikolos sei. Die wesentlichen Eigenschaften und die Risiken eines Teil- oder Totalverlustes, der möglichen Rückforderung von Ausschüttungen gemäß § 172 Abs. 4 HGB, der Haftung gemäß §§ 30, 31 GmbHG, der Fremdfinanzierung unter Einschluss der Zins-Swaps sowie das Loan-to-Value-Risiko und die Risiken der fehlenden Fungibilität, der personellen und wirtschaftlichen Verflechtungen der Fondsbeteiligten und daraus resultierender Interessenkollisionen habe er nicht dargestellt. Den hohen Weichkostenanteil habe er nicht genannt und über die Rückvergütung für die Bank nicht informiert. Der Prospekt sei fehlerhaft und enthalte keine oder nur unzureichende Angaben zu den Risiken, wie beispielsweise denen aus den Swap-Geschäften. Ihrer Verpflichtung, den Prospekt mit banküblicher Sorgfalt zu prüfen, sei die Bank nicht nachgekommen.
Den Vortrag des Antragstellers zu den Prospektfehlern halte ich – mit Ausnahme der Ausführungen zu den Swap-Geschäften – für substantiiert. Sofern man den Vortrag insoweit überhaupt für schlüssig hält, weil der Inhalt der angesprochenen Aspekte so evident problematisch ist, dass dies bereits bei der Plausibilitätsprüfung auffallen muss, hätte die Bank daraus Konsequenzen ziehen und entweder die Fehler im Rahmen der Beratung richtigstellen oder aber den Vertrieb der Beteiligung nicht vornehmen dürfen. Dann bedarf die Frage aber der Klärung durch ein Gutachten.
Für unschlüssig halte ich die Ausführungen zu §§ 30, 31 GmbHG. Insoweit bestand meiner Auffassung nach keine Aufklärungspflicht. Ich folge in dieser Frage der Ansicht des OLG Köln (Urteil vom 2.2.2015, I-24 U 112/14 –WM 2015, 872 ff. –, und Urteil vom 5.3.2015, I-24 U 159/14 – juris RdNr. 29).
Der Antragsteller spricht von hohen Weichkosten, ohne dazu aber konkretere Angaben zu machen. Das wäre aber notwendig. Die personellen und wirtschaftlichen Verflechtungen stellt er ebenfalls nicht dar.
Die Bank tritt der Darstellung des Antragstellers entgegen, weist darauf hin, dass er vor und nach dem gegenständlichen Fonds weitere Beteiligungen erworben habe, bestreitet alle wesentlichen Punkte und trägt vor, die seinerzeit erzielbaren Renditen seien ihm nicht hoch genug gewesen. Die Fondsbeteiligung habe deshalb eine interessante Alternative bedeutet. Er habe außerdem explizit eine Anlage mit attraktiven Ausschüttungen, steuerlichen Vorteilen und zur Diversifikation gesucht. Den Prospekt habe er mehrere Wochen vor der Zeichnung erhalten. Dieser sei Grundlage der mehrfachen Beratungen gewesen. Er sei ausführlich auf die Risiken hingewiesen worden. Die konzeptionellen und wirtschaftlichen Eigenschaften, die Chancen und die Risiken der Beteiligung seien ihm bei der Zeichnung bekannt gewesen. Die eingeschränkte Fungibilität und Nachschusspflicht seien angesprochen worden. Auf ihre Provision sei er schriftlich hingewiesen worden. Prospektfehler lägen nicht vor. Auch habe sie das Beteiligungsangebot unter wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekten mit banküblichem kritischem Sachverstand geprüft.
Ich halte diesen Vortrag der Bank für erheblich. Dabei verkenne ich nicht, dass sie auf das Beratungsgespräch nur mit wenigen Sätzen eingeht. Doch behauptet sie die Beratung auf der Grundlage des Prospektes. Unabhängig davon, ob Rechtzeitigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vorliegt (was zu klären sein wird – siehe im Folgenden), verstehe ich diese Erklärung dahingehend, dass der Prospektinhalt besprochen worden ist. Dieser wäre für eine Aufklärung über die meisten der monierten Umstände ausreichend.
Damit ist eine Beweisaufnahme notwendig. Diese wird sich zunächst auf die Anlageziele und die Risikobereitschaft zu beziehen haben. Ferner ist für die Beurteilung von Aufklärungspflichtverletzungen eine primäre Frage, ob der Prospekt rechtzeitig ausgehändigt worden ist. Der Antragsteller trägt vor, er habe den Prospekt erst nach der Zeichnung erhalten, während die Bank behauptet, er sei mehrere Wochen vor der Zeichnung übergeben worden. Grundsätzlich konnte die Bank schon allein mit der Aushändigung des Prospektes ihre Aufklärungspflichten erfüllen (vgl. BGH XI ZR 431 /10, Urteil vom 14.5.2013 – RdNr. 21; siehe auch BGH XI ZR 262/10, Urteil vom 8.5.2012 – WM 2012, 1337 ff./1339 –, RdNr. 20 ff.). Ich gehe davon aus, dass im Prospekt zu allen schlüssig beanstandeten Punkten ausreichende Angaben enthalten sind, weil es sich um sehr wesentliche Umstände handelt, zu denen obligatorisch etwas gesagt werden muss. In welchem Umfang hier eine ausreichende Aufklärung angenommen werden kann, wäre für jede einzelne Beanstandung zu beurteilen. Die fehlende Rechtzeitigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist von dem Antragsteller darzulegen und zu beweisen (wobei eventuell die sekundäre Darlegungslast der Bank zu berücksichtigen ist).
Für den Fall nicht rechtzeitiger Aushändigung wäre auch eine Aufklärung über den Inhalt des Beratungsgesprächs durch Zeugen- und Parteivernehmung in vollem Umfang notwendig. Ob und inwieweit der schlüssig vorgetragene Prospektfehler vorhanden ist, bliebe auch zu prüfen. Wenn nicht ohnehin eine Parteivernehmung des Antragstellers erfolgt, halte ich seine persönliche Anhörung für dringend geboten.